Von „Wochenblatt für den Kreis Malmedy“ zu „St. Vither Zeitung“.
Ein Jahrhundert Zeitungsgeschichte in St. Vith

I. IDENTIFIZIERUNG

Referenz:                      BE SAE, St. Vither Volkszeitung (531-X177-45 und 531-X177-55 bis 58)  

Name:                          Die Sammlung ist bekannt unter dem Namen St.Vither Zeitung. Die Zeitung ist entstanden als „Wochenblatt für den Kreis Malmedy“ und hat danach mehrmals den Namen gewechselt:

- Wochenblatt für den Kreis Malmedy (Januar bis Juni 1866)

- Kreisblatt für den Kreis Malmedy (Juli 1866 - 1905)

- Malmedyer St. Vither Volks-Zeitung  (1906-1933)

- St. Vither Volks-Zeitung (1934-1941)

- Sonntagsblatt für St. Vith und Umgebung. Beilage zur St. Vither Volks-Zeitung, St. Vith (1937)

- St. Vither Zeitung (1956-1964)

Datierung:                               1866-1964

Beschreibungsniveau:   Hauptbestand

Umfang                        3 m (76 Bände)

 

II. KONTEXT

 

A. Die Zeitung und sein Verleger[1]

Am Dienstag, den 30. Januar 1866 erschien in St. Vith die erste Ausgabe des „Wochenblattes für den Kreis Malmedy“. Auf der Titelseite wandte sich Verleger Joseph Doepgen an die Le­ser und erläuterte, was ihn zur Herausgabe der Zeitung bewogen hatte und bat gleichzeitig um die Einsendung von Artikeln, die gleich ob „zur Belehrung oder Unterhaltung“ mit Dank von der Redaktion entgegen genommen wür­den. Die neue Zeitung umfasste vier Seiten. Die Artikel im redaktionellen Teil waren ausschließlich in deutscher Sprache und machten das Wochenblatt so zur ersten rein deutschsprachigen Zeitung im Kreis Malmedy. Die Zeitung erschien zunächst einmal pro Woche, abgesehen von der allerersten Ausgabe immer am Samstagnachmittag.

Über die Person des Herausgebers ist wenig bekannt. Fest steht, dass Josef Doepgen aus Zell an der Mosel stammte und eine Druckerei in St. Vith betrieb. Auch über die Druckerei Do­epgen lässt sich nur wenig mit Bestimmtheit sagen. Es spricht allerdings viel dafür, dass es sich dabei um einen kleinen Familienbetrieb gehandelt hat, der bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Joseph Doepgen und später von seinen Söhnen Peter Josef (ab 1891) und Hermann (ab 1903) im Alleingang geführt wurde, bevor 1905 zum ersten Mal ein Re­dakteur und Schriftleiter eingestellt wurde. Vermutlich erhoffte Doepgen sich von der Zeitung ein zusätzliches Standbein und einen größeren Bekanntheitsgrad im Kreis für seine Druckerei.

Bereits ein knappes halbes Jahr nach Gründung des Wochenblattes gab die Expedition des Wo­chenblattes der Ausgabe Nummer 22 vom 23. Juni 1866 auf der Titelseite bekannt, dass die Zeitung mit Beginn des dritten Quartals am 1. Juli unter dem Titel „Kreisblatt für den Kreis Malmedy“ erscheinen werde. Die Zeitung wurde damit zum amtlichen Organ der Land­ratsbehörde und somit Teil der offiziösen Presse.

Für Doepgen dürften wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein, die Behörden darum zu ersuchen, seine Zeitung zum Kreisblatt zu machen. Als Kreisblatt bestand die Mög­lichkeit staatlicher Unterstützung und Doepgen erhielt, nachdem seinem Gesuch, seine Zei­tung zum Kreisblatt zu ernennen, stattgegeben worden war, jährlich 100 RM für den Abdruck der amtlichen Bekanntmachungen. Doepgen hoffte auch durch den Aufstieg zum Kreisblatt mehr Abonnenten und Anzei­genkunden zu gewinnen.

Die erste Ausgabe mit dem neuen Titel „Kreisblatt für den Kreis Malmedy“ erschien am 7. Juli 1866. Die Periodizität änderte sich zunächst nicht.  Erst ab dem 2. Januar 1867 an erschien das Kreisblatt „mehreren Wünschen und Aufforderungen entsprechend“ zweimal wöchentlich.

Das Blatt lebte von amtlichen und privaten Anzeigen. Landrat von der Heydt charakterisierte es 1877 als „politisch unbedeutend“. Die Zahl der Abonnements wird für 1873 mit 330 angegeben, durch amtliche Förderung stiegen sie im Jahre 1885 auf 492 an. Durch den Abdruck der amtlichen Bekanntmachungen, der Annoncen und der Markttermine war die Zeitung eine neue, bisher nicht existente Informationsquelle für die Bevölkerung des Kreises. So ermöglichte das Kreisblatt den Einwohnern des Kreises, über Termine aus dem ganzen Kreis und nicht nur in den jewei­ligen Ortschaften informiert zu sein. Außerdem stellte es durch den Druck von überregionalen Meldungen und Parlamentsberichten auch für die einfache Landbevölkerung des Kreises eine Beziehung zur Politik, zum Nationalen und zur städtischen Welt und Kultur her.

Im Frühjahr 1905 trat eine Änderung ein: Doepgen weigerte sich die „Politische Korrespondenz“ der preußischen Regierung abzudrucken, worauf hin der Kreisausschuss die Forderung des Verlegers auf Erhöhung des Zuschusses für die Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen ablehnte. Doepgen reagierte mit der Kündigung des Vertrages, den er mit dem Kreis geschlossen hatte. Er wandte sich daraufhin der Katholischen Zentrumspartei zu und verkündete am 15. September, dass er nun nicht mehr das amtliche Kreisblatt repräsentiere und verpflichtet sei den von den Behörden vorgeschriebenen Weg zu gehen, sondern von nun an „unabhängig und frei die katholische Sache und die Interessen der hiesigen Bevölkerung vertreten und verfechten“ werde.

Ab dem 25. Oktober 1905 erschien die Zeitung unter ihrem neuen Titel: „ Malmedy-St.Vither Volkszeitung, Kreisblatt für den Kreis Malmedy, Eifeler Landeszeitung, Organ der Zentrumspartei, Druck und Verlag Hermann Doepgen“. Der Zusatz „Organ der Zentrumspartei“ wurde 1917 ohne Angabe von Gründen wieder weggelassen. Mit der belgischen Besetzung des Gebietes unterlag die Zeitung der Zensur. Der Leserschaft wurde das durch die Ergänzung: „Erscheint mit Erlaubnis der belgischen militärischen Behörde“  mitgeteilt. Die Kennzeichnung verschwand am 24. Januar 1920. Die ursprünglich rein deutschsprachige Zeitung veröffentlichte ab August des Jahres 1919 die amtlichen Bekanntmachungen zweisprachig, in Deutsch und Französisch.

Mit einem Erlass vom 24.03.1920 ordnete Gouverneur Baltia an, dass Dekrete und Verordnungen des Gouvernements zukünftig jeden Sonntag in drei Zeitungen veröffentlicht werden sollten, u.a. auch in die Malmedy-St.Vither Volkszeitung. Die Zeitung erhielt jetzt in ihrem Kopf den Zusatz: ‚Einziges deutsches Organ des Distriktes Malmedy für die Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen’. Im Jahre 1934 änderte sich der Name in „St. Vither Volkszeitung“. Bis zur Einstellung Ende des Jahres 1941 erschien die Zeitung nun dienstags, donnerstags und samstags, hinzu kam die Herausgabe eines „Sonntagsblatt für St. Vith und Umgebung. Beilage zur St. Vither Volkszeitung“. Der Wechsel von einer Wochenzeitung zu einer Tageszeitung wurde fast vollzogen. Nach dem Tod von Hermann Doepgen am 3. November 1939 folgte ihm sein Sohn – ebenfalls Hermann Doepgen - auf.

Doepgen lehnte die neue politische Zuordnung nach dem Versailler Vertrag ab und machte es sich trotz herrschender Zensur zur Aufgabe die deutschtreue Gesinnung und die bleibende Unzufriedenheit eines großen Teils der Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es bis 1955, ehe in St.Vith erneut eine eigene Heimatzeitung aus dem Hause Doepgen angeboten wurde, das den Akzidenzdruck seit Kriegsende weiter betrieben hatte.

Als sich die Herausgabe der „St.Vither Zeitung“ für den Verlag Doepgen als finanziell nicht mehr tragbar erwies, stimmte dieser der Übernahme durch den Grenz-Echo-Verlag in Eupen zu, der ab 1965 eine Zeitlang im Zeitungskopf „Grenz-Echo und St.Vither Zeitung“ anführte

Für den Verlag Doepgen endete damit ein Jahrhundert eigener Zeitungsgeschichte. Es firmierte als Druckhaus noch weiter, ehe es in der nachfolgenden Generation wirtschaftlichen Schwierigkeiten weichen musste. Margret Doepgen-Beretz hatte inzwischen die Veröffentlichung von Büchern und Zeitschriften regionaler Bedeutung im eigenen Verlag ermöglicht.

B. Das Archiv

Während der Wirren des Zweiten Weltkriegs versteckten Heinz und Hermann Doepgen, die Urenkel des Zeitungsgründers Josef Doepgen, die Archive im Keller des St.Vither Verlagshauses und gruben sie mit der Schaufel auch dort wieder aus, nachdem die Ardennenoffensive die Büchelstadt vollständig zerstört hatte. Nach dem Krieg hütete Margarethe Doepgen, geborene Beretz, die Sammlung der Malmedy-St.Vither Volks-Zeitung von 1868 bis 1941 wie einen Schatz. Sie gab die Zeitung erst Anfang des 20. Jahrhunderts heraus als man ihr versichert hatte, dass sie für wissenschaftliche Zwecke genutzt würde

In einem von der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, dem Staatsarchiv in Eupen und dem Lehrstuhl für Neuere Geschichte des Historischen Instituts der RWTH in Aachen geförderten Forschungsprojekt unter Leitung von Andreas Fickers wurde die einzigartige Zeitungssammlung  komplett inventarisiert. Jede der insgesamt 7334 Ausgaben der Zeitung wurde in eine Datenbank aufgenommen, in der man mit Hilfe von Suchbegriffen sämtliche Artikel abrufen kann. Parallel zur Erstellung dieser Datenbank wurden im Rahmen des Forschungsprojektes drei Magisterarbeiten realisiert, die sich mit dem Kreisblatt, bzw. der Volkszeitung beschäftigt haben. Die Magisterarbeiten wurden 2008 veröffentlicht in der Reihe „Quellen und Forschungen zur Geschichte der Deutschsprachigen Belgier, 3), Brüssel, 2008. Anlässlich der Buchvorstellung im Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurde die Verlegerin Margarete Doepgen mit der Verdienstplakette der Deutschsprachigen Gemeinschaft geehrt. Nach Beendung des Forschungsprojektes wurden die Zeitungsbände in das Staatsarchiv hinterlegt.  

Nach dem Tod der Verlegerin im Februar  2012 fasste die Familie den Beschluss auch die St. Vither Zeitung aus der Nachkriegszeit (1955-1964) in das Staatsarchiv zu hinterlegen, verbunden mit dem Wunsch, die Zeitung digitalisieren zu lassen und somit allen historisch Interessierten online zur Verfügung zu stellen.  

C. Das Digitalisierungsprojekt

Bei dem 1866 gegründeten Kreisblatt für den Kreis Malmedy, das 1905 in Malmedy-St.Vither Volkszeitung und 1934 in St.Vither Volkszeitung umbenannt wurde, handelt es sich um eine für den Regionalhistoriker ausgesprochen wichtige und einzigartige Quelle. Als offizielles Verkündungsorgan amtlicher Bekanntmachungen für den preußischen Verwaltungsbezirk Malmedy kam dem Kreisblatt eine wichtige politisch-informative Funktion unter preußischer, reichsdeutscher und belgischer Herrschaft zu. Gerade diese Staatenwechsel mit ihren mannigfachen politisch-administrativen wie kulturellen Verflechtungen lassen sich mit der Analyse des Kreisblattes beispielhaft rekonstruieren. Aus diesem Grund erklärte die Deutschsprachige Gemeinschaft sich bereit, das Digitalisierungsprojekt finanziell zu unterstützen. Anfang 2013 wurde die 76 Bände bei der Firma GSM in den Niederlanden digitalisiert. Anschließend wurden die Scans im Generalstaatsarchiv bearbeitet und mit Metadaten versehen. Die Jahrgänge 1955-1964 wurden mit OCR Zeichenerkennung bearbeitet und sind komplett durchsuchbar über Metadaten und Volltext. Bei den Jahrgängen 1866-1941 wurde vorläufig auf eine OCR-Anwendung verzichtet.  Die Suchmaschine wurde allerdings verknüpft mit der vorhanden thematischen Datenbank

Diese gelungene Zusammenarbeit zwischen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, dem belgischen Staatsarchiv und dem Förderverein für das Archivwesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zur Sicherung dieses wertvollen Kulturerbgutes der DG ist ein nachhaltiges Symbol für die gute Zusammenarbeit zwischen diesen verschiedenen Einrichtungen.

1Die Angaben stammen aus FICKERS, A. (Hrsg), Zwischen den Zeilen. Die Geschichte des Kreisblattes für den Kreis Malmedy und der St. Vither Zeitung,1866-1940 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Deutschsprachigen Belgier; 3), Brüssel, 2008.

 



[1] Die Angaben stammen aus FICKERS, A. (Hrsg), Zwischen den Zeilen. Die Geschichte des Kreisblattes für den Kreis Malmedy und der St. Vither Zeitung,1866-1940 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Deutschsprachigen Belgier; 3), Brüssel, 2008.